Alternative Fakten und Verschwörungserzählungen
https://oe1.orf.at/programm/20210201/625723/Totschlagargumente-Andersdenkende-und-Krisenbewaeltigung
Totschlagargumente, Andersdenkende und Krisenbewältigung – zu dem
Thema diskutierten zwei Damen in der Hörfunkreihe Punkt eins. Die
beiden Journalistinnen versuchten wieder einmal zu erklären warum
die Fakten der Wissenschaft bei so manchem nicht so einheitlich
angenommen werden oder warum es überhaupt andere Meinungen gibt.
Schon in der Überschrift zur Sendung ist natürlich die eigentliche
Schwierigkeit abgebildet – Andersdenkende, das impliziert, dass es
Gleichdenkende gibt und auch irgendwie, dass die, die gleich wie die
beiden Journalistinnen denken irgendwie „richtig“ denken.
Totschlagargumente, war das nicht früher der Euphemismus für die
realexistierende Durchschalgskraft eines Totschlägers oder
Gummiknüppel im Zuge einer Auseinandersetzung? Und immer wieder
kommt das Credo heraus, dass es die „richtige“ Wahrheit gibt,
dass Wissenschaft ein rein faktenbasierender Prozess sei, ja dass
sogar der (soziale und dynamische) Prozess einer Infektionsweitergabe
von Mensch zu Mensch und die Interaktion mit anderen sozialen
Prozessen durch wissenschaftliche und/oder statistische Studien
irgendwie festgeschrieben werden könnten und dadurch an Lenkbarkeit
von irgendwelchen Experten gewänne. Wahrscheinlich ist es der Jugend
der Journalistinnen geschuldet, die ihre Erfahrungen hauptsächlich
in der digitalen Welt gesammelt haben und daher mit so antiquierten
Dingen wie „Meinungsverteilungen“, Individualität, von
Programmen und Leitstrukturen ungeregelte Freiheitsbedürfnisse von
analogen Menschen weniger Erfahrungen sammeln konnten. (Beispiele
hier wären Zwentendorf und Hainburg, wo die Experten (damals noch
Technokraten) eindeutig den Zusammenbruch jedweder
Elektrizitätsversorgung als faktisch ansahen).
Jetzt könnte man unendlich viele Beispiele liefern, wo Wissenschaft,
aber auch Religion und Politik früher schon einmal die absolute
Wahrheit für sich in Anspruch genommen haben und auch über die
Auswüchse dieser Strategien gibt es die eine oder andere grausliche
Geschichte. So ist es erst seit 1968 in den USA wieder erlaubt die
darwinsche Evolutionstheorie in der Schule zu erwähnen, was aber in
vielen US-Schulbüchern noch lange nicht ausreichend der Fall war.
Oder Glyphosatzulassungen bei denen bei erhöhten Krebsraten der
Versuchstiere einfach 5% grundsätzliche Krebsentstehung abgezogen
wird. Und gleichzeitig werden marketinglastige Aussagen von
Impfstoffentwicklern als wissenschaftliche Wahrheiten apodiktisch
festgelegt. Abgesehen von der fehlenden Diskussion über die Freiheit
der Wissenschaft, die es defacto nicht mehr gibt, da alles dem
Kosten/Nutzeninteressen von Finanziers (auch von Politikern)
unterworfen wird.
Am Beispiel der vielzitierten Verschwörungstheorie „Bill Gates“
erweist sich aber recht schnell die argumentative Schwäche von Frau
Ingrid Brodnig. Woher weiß sie so genau Bescheid was der Herr Gates
jetzt gerade für Interessen hat? Kennt sie sein Portfolio, zum
Beispiel sein Investment in Pfizer so genau? Oder GLAUBT sie zu
wissen wie es wirklich ist? Abgesehen davon sollte man sich
vielleicht überlegen wozu die Individuen eine eigene Meinung
benötigen. Es ist wohl ihre Erklärung von der Welt und vor allem
bei den vielen Erzählungen darüber. Diese individuelle Meinung muß
dem Individuum helfen und nicht der Mittelwert-Mehrheitsmeinung, da
die in Wirklichkeit 99,9% der Individuen nichts oder kaum etwas
bringt. Irgendwie wirkt es eher als ob es für die Machteliten
wichtig zu sehen sei wo die Herde noch Richtung braucht, damit sie in die
„richtige“ Richtung läuft. Es hilft nichts wenn die
Regenwahrscheinlichkeit 56% beträgt aber man trotzdem verdurstet.
Viel wichtiger ist für viele Menschen, wenn sie sich in Krisen auf
bedrohlichere Szenarien einstellen, so als Art Versicherung. Und da
hilft es niemanden, dass es Leute gibt, die auf Grund ihrer
Superintelligenz oder was auch immer, genau wissen was und vor allem
wem sie glauben sollen und wem nicht. Weil im Endeffekt sind alles
Glaubens- und Vertrauensfragen. Außer man glaubt, dass in der
Werbung immer nur die absolute Wahrheit und die ungeschminkten Fakten
ausgewiesen werden. Muß ja so sein, weil da tritt bei der
Zahnpastawerbung ja einer mit Brille und weißem Mantel auf. Genau
wie bei der Coronaimpfwerbung – ein vollkommen freier
Wissenschaftler, der einfach seine persönliche Meinung widergibt.
Oder doch die offizielle, oder gar die des Marketings einer
Pharmafirma, vielleicht gar von einer in die Bill Gates (oder seine
Stiftung) investiert hat. Allen die jetzt gerade in der absoluten
Wahrheitsbesitzliga anheuern und mit dem Besitz und der Verstärkung
dieser Wahrheiten ihr Geld verdienen seien die Worte die Sokrates
zugeschrieben sind zu Gehör gebracht: Scio nescio. Ich weiß, dass
ich nichts weiß. Und wie nennt man eigentlich das Gegenteil von
VerschwörungstheoretikerInnen? Gutgläubige? Weil wir ja die Guten
sind wenn wir den Guten ihre guten Intentionen und die alleinge Sorge
um das Individuum (Staatsbürger) voll glauben, also gegen die Achse
des Bösen und der Falschheit. Also glauben wir an die Guten, die
noch nie etwas Böses gemacht haben. Genau so wie wir überhaupt
nichts dabei finden, wenn der Oberbefehlshaber der größten und
aktiv in Angriffskriege involvierten Armee der Welt den
Friedensnobelpreis bekommt.
DI Mathias Gruböck Baden, 02.02.2021
Analyst