18 Februar 2014

Definitionsproblem


Die Lösung eines Problems ist meist viel einfacher wenn man das Problem exakt beschreiben kann. Die westlichen Staaten- und Militärführer orten ein Problem, dass hier Extremismus heisst. Um diesen festgestellten „Extremismus“ zu bekämpfen werden sehr große Anstrengungen gemacht und kein Steuermittel ist dafür zu teuer. Alles zum Schutz vor den „Extremisten“. Nur, was genau ist ein Extremist? Woran kann ich ihn in meinen Suchalgorithmen erkennen? Simple Lösung: Extremisten sind alle die als -Isten bezeichnet werden. In Zeitungen mit nicht so vorgebildetem Massenpublikum wird im Deutschen meist noch die Punzierung „Radikal“ extra davorgesetzt, damit man sich leichter bei der Rollenzuschreibung tut. Also klarer Weise die (Radikal)Islamisten, dann die (Radikal)Kommunisten, in manchen Ländern auch die (Radikal)Faschisten, manchmal bieten sich auch (Radikal)Nationalisten an, aber schon an dieser kurzen Aufzählung entspinnt sich wahrscheinlich eine elendslange Diskussion was oder was nicht zum Extremismus zu zählen ist. Vielleicht einfacher: Das (Radikal)Andere? Alles was anders ist und sich im oppositionellen Widerstand gegen die eigenen, natürlich nicht-radikal-extremistischen Positionen befindet. Also sind dann auch Klima- und Tierschützer Extremisten?

In westlichen Rechtskulturen haben wir über die Jahrhunderte ein System aufgebaut, dass den Versuch darstellt, diese Wertungsproblematik möglichst von jeder machtorientierten, wirtschaftlichen oder politischen Willkür zu befreien. Wir haben das Prinzip der Gewaltentrennung eingeführt. Hier gibt es Leute die die Regeln aufstellen, dann gibt es Leute die die Einhaltung der Regeln kontrollieren und dann gibt es so ganz spezielle Leute, die möglichst unabhängig das Ganze werten dürfen. Werturteile durch unabhängige Richter. Nach denen müssen sich alle anderen Leute wieder richten.

Diese Prinzipien werden in dem sogenannten Krieg gegen den Terror und der Extremismusbekämpfung weitestgehend umgangen oder ignoriert. Dies speziell durch die beschleunigten Abläufe in der Web 2.0 Gesellschaft, bei der Richtsprüche immer um Jahre zu spät kommen. Law enforcement-Organisationen die sich ihre eigenen Fälle generieren (mittels anstiftenden und beihelfenden Maßnahmen), die sich selbst um mögliche zukünftige Tätergruppen umtun und die derart Verdächtigte ohne richterlichen Beschluss exekutieren können, muten trotz der sprachlichen marktgerechten Schambedeckungen eher wie ein Rücksprung in Zeiten der spanischen Inquisition an. (in der spanischen Inquisition wurde wenigstens auf richterlichen Auftrag gefoltert und verbrannt). Einfache Gegenprobe: Man nehme einen der tausenden durch Drohnenangriffe ermordeten Menschen (zufällige Auswahl) und versuche herauszufinden wer genau dies auf Grund von welchen Urteilen bestimmt hat. These: Es wird ein menschenrechtliches Desaster werden.

Wer gibt den USA das Recht in Europa oder sonstwo Polizei ohne Richter zu spielen? Klarer Weise wird jetzt die Verantwortung für die weiteren Abhöraktivitäten in Europa die US-Army übernehmen. Diese fühlt sich und damit die nationale Sicherheit der USA in Wiesbaden bedroht und kommt so ganz einfach aus der STASI -NSA Nummer heraus. Leider wird das aber nicht besser wenn sie das FBI dadurch mithineinziehen:



Damit ruinieren sie auch noch jede ordentliche Polizeizusammenarbeit, da sie jeder FBI-Polizeiaktion die rechtliche Deckung entziehen, falls europäische Ermittler, die ILLEGAL erworbenen Informationen der US-Amerikaner nutzen wollen. Jedoch das stört eh die Wenigsten, da mit derartig erlangten Informationen meist viel besser eine Intrige lanciert wird.

Feindaufklärung im Netz zu betreiben hat wahrscheinlich mehr mit einer Art Wettervorschau oder der Vorhersage eines Vulkanausbruches zu tun. Eine Unmenge von Indikatoren und Parametern in Echtzeit zu verarbeiten um eine Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen eines Ereignisses anzugeben klingt wahrscheinlich auch besser als Massenüberwachung.

Ein Grundfehler liegt all diesen Ansätzen meist zu Grunde: Es werden hochkomplexe heterogene Systeme beobachtet und mit superschlauen Algorithmen durchgesiebt, jedoch meist wird der eigene Beitrag in die Kopplungsschleifen (und sei es nur die Beobachtung) als wichtiger Parameter vergessen. Wenn man sehr genau beurteilen kann, was man selbst macht, dann kann man wohl auch am einfachsten ein Bild davon bekommen, wie andere darauf reagieren werden. Die Art der Reaktion hängt dann wahrscheinlich von einer Vielzahl von Umgebungsparametern ab (wirtschaftlichen, politischen, religiösen, kulturellen,...). Damit wird man aber beginnen sein „Gegenüber“ in allen seinen Dimensionen zu verstehen. Nur, dann wird es wahrscheinlich sehr schwer werden „es“ weiterhin einfach per Joystick zu vernichten. Wertungssysteme wollen nichts verstehen, die wollen einen verwertbaren Unterschied finden. Diese Unterschiede sind jedoch relativ und nur vom eigenen Wertesystem abhängig. Die Definition des eigenen Wertesystems als richtig und die aller anderen Systeme als falsch, feindlich oder eben extremistisch zu erkennen erschafft ein Ziel – ein Target. Solange diese Wertungen nicht von zivilen und öffentlichen Wertungsrichtern übernommen werden, finden weiterhin totalitäre Mechanismen Anwendung. Eine Systematik die von vielen entwickelten Rechtssystemen als extremistisch gewertet wurde und wird. Was machen die USA wenn bei den neuen Filtern herauskommt, dass sie selbst Extremisten sind? Beschießen sie sich dann selbst mit den Drohnenraketen? Zum Beispiel eine Tea-Party?

DI Mathias Gruböck Kerobokan, 18.02.2014
Unernehmens- und Organisationsberater