Es
begeben sich einige der Medien gerade bei ihrer Motivforschung für
die angebliche Tatbegehung des Herrn Andreas Lubitz auf sehr dünnes
Eis. Abgesehen von der Frage ob eine Boulevardzeitung wirklich
psychologische Beweggründe eines Individuums aufklären will oder
kann stellt sich die Frage ob sie das darf. In einer Zeit wo jeder
irgendetwas gehört, vermutet oder gewußt haben will nimmt eine
headlineartige Wertung und die Veröffentlichung der dazugehörigen
Unterlagen einer gesundheitlichen Betreuung eines damals 21 oder 22
Jahre alten Menschen eine derart unreflektierte und aufhussende
Breite ein, dass es einen fast erdrückt.
Die
Behandlungsakten eines jungen Mannes der eben gestorben ist zu
veröffentlichen ist wohl nur dann ein ehrlich gemeinter Ansatz in
der Meuten-Ermittlung und Ursachenforschung wenn auch alle anderen
Fakten öffentlich zugänglich wären. Da müsste man auch die
Tonbandmitschnitte aus dem Cockpit nicht nur erzählt bekommen oder
nicht nur die Hülle des Flugdatenschreibers sondern dessen
Synchronisation mit den Vorkommnissen in der Kanzel machen können.
Eines
lernt jetzt jeder aus den Machenschaften der Journaille und der
Medien: Gehe nie aktenkundig zu einem Psychiater oder Psychologen
wenn du Hilfe in einer schwierigen Situation deines Lebens benötigst.
Geh besser zu einem Pfarrer – die halten ihre Verschwiegenheit
wahrscheinlich über den Tod hinaus. Vielleicht hatte er ja
Errektionsstörungen auf Grund des damaligen Leistungsdruckes im
Pilotenkurs oder er hatte sich in den Kursleiter verliebt und war
verschmäht worden. Faktum ist, dass es, wenn es keinen
Abschiedsbrief des Herrn Andreas Lubitz gibt oder er nicht in den
letzten Minuten vor dem Aufschlag etwas in den Voicerekorder für die
Nachwelt oder seine Eltern gesprochen hätte, keine Möglichkeit gibt
sein Verhalten post mortem zu motivieren. Spekulation (auch von
Psychiatern) und Projektionen der Medien tun hier auch nichts zur
Sache, im Gegenteil wird es hier nur schmerzhafter und graußlicher
für alle Hinterbliebenen.
Im
Gegenteil, war offenbar Herr Andreas Lubitz vor sechs Jahren dazu
bereit gewesen sich helfen zu lassen, als er bei sich selbst ein
Leiden feststellte. (warum sollte er das jetzt nicht mehr gemacht
haben?) Wer eine Ahnung von den extremen Selektionsprozessen der
Pilotenausbildung hat und diese vielleicht in den Kontext mit einem
sehr ausgeprägten Berufswunsch von Andreas bringt, kann sich schon
vorstellen, dass er bei einer Situation, wo sich dieser Wunsch in
Luft aufzulösen scheint, eine depressive Episode entwickeln könnte.
Die Ursachen für seine Arztbesuche damals interessieren keinen mehr.
Auch haben offenbar ebendiese psychologischen und psychiatrischen
Speziallisten den Andreas auch wieder als voll flugtauglich und als
„geheilt“ eingestuft. Es ist eben wie im Straßenverkehr – es
gilt der Vertrauensgrundsatz. Auch wenn es immer wieder Geisterfahrer
und besoffene Lenker gibt. Auch wenn es anscheinend Geisterflieger
geben soll – es gilt weiterhin der Vertrauensgrundsatz (und es gibt
auch immer noch eine Unschuldsvermutung) – aber dann für alle
Beteiligten in sozialen Systemen.
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