27 März 2015

Gefährliche Vorgänge


Es begeben sich einige der Medien gerade bei ihrer Motivforschung für die angebliche Tatbegehung des Herrn Andreas Lubitz auf sehr dünnes Eis. Abgesehen von der Frage ob eine Boulevardzeitung wirklich psychologische Beweggründe eines Individuums aufklären will oder kann stellt sich die Frage ob sie das darf. In einer Zeit wo jeder irgendetwas gehört, vermutet oder gewußt haben will nimmt eine headlineartige Wertung und die Veröffentlichung der dazugehörigen Unterlagen einer gesundheitlichen Betreuung eines damals 21 oder 22 Jahre alten Menschen eine derart unreflektierte und aufhussende Breite ein, dass es einen fast erdrückt.

Die Behandlungsakten eines jungen Mannes der eben gestorben ist zu veröffentlichen ist wohl nur dann ein ehrlich gemeinter Ansatz in der Meuten-Ermittlung und Ursachenforschung wenn auch alle anderen Fakten öffentlich zugänglich wären. Da müsste man auch die Tonbandmitschnitte aus dem Cockpit nicht nur erzählt bekommen oder nicht nur die Hülle des Flugdatenschreibers sondern dessen Synchronisation mit den Vorkommnissen in der Kanzel machen können.

Eines lernt jetzt jeder aus den Machenschaften der Journaille und der Medien: Gehe nie aktenkundig zu einem Psychiater oder Psychologen wenn du Hilfe in einer schwierigen Situation deines Lebens benötigst. Geh besser zu einem Pfarrer – die halten ihre Verschwiegenheit wahrscheinlich über den Tod hinaus. Vielleicht hatte er ja Errektionsstörungen auf Grund des damaligen Leistungsdruckes im Pilotenkurs oder er hatte sich in den Kursleiter verliebt und war verschmäht worden. Faktum ist, dass es, wenn es keinen Abschiedsbrief des Herrn Andreas Lubitz gibt oder er nicht in den letzten Minuten vor dem Aufschlag etwas in den Voicerekorder für die Nachwelt oder seine Eltern gesprochen hätte, keine Möglichkeit gibt sein Verhalten post mortem zu motivieren. Spekulation (auch von Psychiatern) und Projektionen der Medien tun hier auch nichts zur Sache, im Gegenteil wird es hier nur schmerzhafter und graußlicher für alle Hinterbliebenen.

Im Gegenteil, war offenbar Herr Andreas Lubitz vor sechs Jahren dazu bereit gewesen sich helfen zu lassen, als er bei sich selbst ein Leiden feststellte. (warum sollte er das jetzt nicht mehr gemacht haben?) Wer eine Ahnung von den extremen Selektionsprozessen der Pilotenausbildung hat und diese vielleicht in den Kontext mit einem sehr ausgeprägten Berufswunsch von Andreas bringt, kann sich schon vorstellen, dass er bei einer Situation, wo sich dieser Wunsch in Luft aufzulösen scheint, eine depressive Episode entwickeln könnte. Die Ursachen für seine Arztbesuche damals interessieren keinen mehr. Auch haben offenbar ebendiese psychologischen und psychiatrischen Speziallisten den Andreas auch wieder als voll flugtauglich und als „geheilt“ eingestuft. Es ist eben wie im Straßenverkehr – es gilt der Vertrauensgrundsatz. Auch wenn es immer wieder Geisterfahrer und besoffene Lenker gibt. Auch wenn es anscheinend Geisterflieger geben soll – es gilt weiterhin der Vertrauensgrundsatz (und es gibt auch immer noch eine Unschuldsvermutung) – aber dann für alle Beteiligten in sozialen Systemen.

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