22 Oktober 2017

Separatisten

Der Konflikt in Spanien zwischen den Katalanen und den Zentralisten ist weder neu noch wird er der letzte Unabhängigkeitskampf in Europa bleiben. Dies ist vor allem dem Umstand des Schwebezustands des „neuen“ Zentralstaates Europa geschuldet. Im Prinzip stellt in all den Fällen wo der Nationalstaat eine Hegemonie über Teile der Bevölkerung, die sich wegen sprachlichen und kulturellen Unterschieden nicht automatisch mit der nationalen Identität (so es die überhaupt gibt) solidarisieren oder identifizieren, die Schaffung einer übergeordneten europäischen Identifikation eine Freisetzung alter Freiheitsbestrebungen.

Speziell an der Entwicklung zwischen England und Schottland kann man diese These abprüfen. Unter dem Dach der EU konnten sich Regionen weitestgehend verselbständigen, da es zu einer Verschiebung von Zentralfunktionen zwischen den Nationalregierungen und der europäischen Klammer kam. Im Endeffekt ist aus Sicht von ethnischen Regionen eine zentrale Metagewalt genug. Wenn jetzt historische Resentiments auf Grund negativer Erfahrungen mit der „alten“ Zentralgewalt vorherrschen, dann kann es nun verstärkt zu Sezessionsbewegungen von Regionen kommen. Im Fall von Schottland war die klare Reaktion auf die knappe Abspaltung von England die Renationalisierung und in der Folge das Brexit-Votum. Damit werden die wegdriftenden Regionen wie Nord-Irland oder Schottland wieder in den nationalen Verbund zurückgeführt.

Ursprünglich wurde das Modell der Auflösung der Nationalstaaten durch die Nach-Kalten-Krieg-Bereinigungsstrategie der USA in Jugoslawien exemplarisch eingeführt. Hier wurde die Zerschlagung des Nationalstaates zu Gunsten von west-freundlichen Kleinstaaten militärisch unterstützt. Auch beim Regimechange in der Ukraine spielten nationalistische Konzepte eine massive Rolle, obwohl diese im Fall der Ukraine nicht zu einem vollen Erfolg des Westens führten.

Sogar in Deutschland gäbe es Potential entlang der Weißwurschtgrenze Spaltungen herbeizuführen. Neben Belgien, Italien, Finnland, Bulgarien, Ungarn und vielen anderen Sezessionsmöglichkeiten.

Umgehend notwendig ist hierbei, den eigentlichen Konflikt zwischen einer Zentralfunktion in Europa und den vielen Sub-Zentralfunktionen in den Nationalstaaten zu lösen. Die Verstärkung von nationalistischen Konzepten wird durch den Widerstand von den Machtträgern der Sub-Zentralfunktionen verstärkt eingesetzt um nicht zwischen Regionalverwaltungen und der EU-Zentralfunktion aufgelöst zu werden. Dies beschleunigt aber wiederum einige Sezessionsbewegungen, die sich gerade von diesen Sub-Zentralfunktionen absetzen wollen. In GB haben sich die Menschen dazu entschieden, dass sie z.B.: Schotten und Großbritannier sind. Die Katalanen wollen nur Katalanen und Europäer sein.

Europa der Regionen wurde so lange vorangetrieben, solange die EU als (westliches) Friedensprojekt und übergeordnetes Integrationsziel verstanden wurde. Seit der Einführung des Euro wurde jedoch das Projekt EU für manche Machtstrategen zu stark und zu konkret. Eine EU der gleichberechtigten Regionen würde die Integration von Europa massiv beschleunigen und viele der „alten“ Machtprobleme beseitigen. So könnte man sogar das Thema mit der Türkei auf die türkische Region in Europa begrenzen und damit an Klarheit und Einfachheit gewinnen. Oder vielleicht gäbe es eine Möglichkeit für eine Lösung in der Brexit-Frage, indem Schottland der EU beitritt (was der Mitarbeiter von Goldmann&Sachs Herr Baroso ja noch massiv zu verhindern trachtete)

Zu diesem Konzept hat sich aber die EU bisher nicht durchringen können, da es keinen klaren Machtanspruch durch die EU über Europa gibt. Damit kommt es zu gesteigerten Instabilitäten und Zwischenwerten, die die Interessen verschiedenster Spieler forcieren, nur nicht die einer starken europäischen Zentralmacht, die nicht nationalstaatlich gestützt ist.

Eigentlich unterstützt die EU in Spanien nicht den demokratischen Prozess, der zu einer Stärkung der EU führen soll, sonder versucht subzentrale Nationalkonzepte zu stützen – außer es sind welche von Ungarn oder Polen. Das ist nicht konsistent und gefährdet die Entwicklung der EU. Was für eine Funktion hat die Zentralregierung in Madrid für die Katalanen? Militärischer Schutz? Fußballnationalteam? Diplomatische Vertretung? Was für Argumente gelten für Ukrainer, Jugoslaven, Schotten oder Iren, die für Katalanen nicht gelten?

Demokratisch gesehen, haben in den meisten Fällen die Zentralregierungen dem Bürger nicht ihren Mehrwert darstellen können. Wenn die Bürger der Auffassung sind, dass sein Leben auch hinreichend durch eine Regionalregierung geordnet werden kann, dann sollte man sich dem Souverän beugen.

DI Mathias Gruböck Baden, 22.10.2017
Unternehmens- und Organisationsberater

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