Der
Konflikt in Spanien zwischen den Katalanen und den Zentralisten ist
weder neu noch wird er der letzte Unabhängigkeitskampf in Europa
bleiben. Dies ist vor allem dem Umstand des Schwebezustands des
„neuen“ Zentralstaates Europa geschuldet. Im Prinzip stellt in
all den Fällen wo der Nationalstaat eine Hegemonie über Teile der
Bevölkerung, die sich wegen sprachlichen und kulturellen
Unterschieden nicht automatisch mit der nationalen Identität (so es
die überhaupt gibt) solidarisieren oder identifizieren, die
Schaffung einer übergeordneten europäischen Identifikation eine
Freisetzung alter Freiheitsbestrebungen.
Speziell
an der Entwicklung zwischen England und Schottland kann man diese
These abprüfen. Unter dem Dach der EU konnten sich Regionen
weitestgehend verselbständigen, da es zu einer Verschiebung von
Zentralfunktionen zwischen den Nationalregierungen und der
europäischen Klammer kam. Im Endeffekt ist aus Sicht von ethnischen
Regionen eine zentrale Metagewalt genug. Wenn jetzt historische
Resentiments auf Grund negativer Erfahrungen mit der „alten“
Zentralgewalt vorherrschen, dann kann es nun verstärkt zu
Sezessionsbewegungen von Regionen kommen. Im Fall von Schottland war
die klare Reaktion auf die knappe Abspaltung von England die
Renationalisierung und in der Folge das Brexit-Votum. Damit werden
die wegdriftenden Regionen wie Nord-Irland oder Schottland wieder in
den nationalen Verbund zurückgeführt.
Ursprünglich
wurde das Modell der Auflösung der Nationalstaaten durch die
Nach-Kalten-Krieg-Bereinigungsstrategie der USA in Jugoslawien
exemplarisch eingeführt. Hier wurde die Zerschlagung des
Nationalstaates zu Gunsten von west-freundlichen Kleinstaaten
militärisch unterstützt. Auch beim Regimechange in der Ukraine
spielten nationalistische Konzepte eine massive Rolle, obwohl diese
im Fall der Ukraine nicht zu einem vollen Erfolg des Westens führten.
Sogar
in Deutschland gäbe es Potential entlang der Weißwurschtgrenze
Spaltungen herbeizuführen. Neben Belgien, Italien, Finnland,
Bulgarien, Ungarn und vielen anderen Sezessionsmöglichkeiten.
Umgehend
notwendig ist hierbei, den eigentlichen Konflikt zwischen einer
Zentralfunktion in Europa und den vielen Sub-Zentralfunktionen in den
Nationalstaaten zu lösen. Die Verstärkung von nationalistischen
Konzepten wird durch den Widerstand von den Machtträgern der
Sub-Zentralfunktionen verstärkt eingesetzt um nicht zwischen
Regionalverwaltungen und der EU-Zentralfunktion aufgelöst zu werden.
Dies beschleunigt aber wiederum einige Sezessionsbewegungen, die sich
gerade von diesen Sub-Zentralfunktionen absetzen wollen. In GB haben
sich die Menschen dazu entschieden, dass sie z.B.: Schotten und
Großbritannier sind. Die Katalanen wollen nur Katalanen und Europäer
sein.
Europa
der Regionen wurde so lange vorangetrieben, solange die EU als
(westliches) Friedensprojekt und übergeordnetes Integrationsziel
verstanden wurde. Seit der Einführung des Euro wurde jedoch das
Projekt EU für manche Machtstrategen zu stark und zu konkret. Eine
EU der gleichberechtigten Regionen würde die Integration von Europa
massiv beschleunigen und viele der „alten“ Machtprobleme
beseitigen. So könnte man sogar das Thema mit der Türkei auf die
türkische Region in Europa begrenzen und damit an Klarheit und
Einfachheit gewinnen. Oder vielleicht gäbe es eine Möglichkeit für
eine Lösung in der Brexit-Frage, indem Schottland der EU beitritt
(was der Mitarbeiter von Goldmann&Sachs Herr Baroso ja noch
massiv zu verhindern trachtete)
Zu
diesem Konzept hat sich aber die EU bisher nicht durchringen können,
da es keinen klaren Machtanspruch durch die EU über Europa gibt.
Damit kommt es zu gesteigerten Instabilitäten und Zwischenwerten,
die die Interessen verschiedenster Spieler forcieren, nur nicht die
einer starken europäischen Zentralmacht, die nicht nationalstaatlich
gestützt ist.
Eigentlich
unterstützt die EU in Spanien nicht den demokratischen Prozess, der
zu einer Stärkung der EU führen soll, sonder versucht subzentrale
Nationalkonzepte zu stützen – außer es sind welche von Ungarn
oder Polen. Das ist nicht konsistent und gefährdet die Entwicklung
der EU. Was für eine Funktion hat die Zentralregierung in Madrid für
die Katalanen? Militärischer Schutz? Fußballnationalteam?
Diplomatische Vertretung? Was für Argumente gelten für Ukrainer,
Jugoslaven, Schotten oder Iren, die für Katalanen nicht gelten?
Demokratisch
gesehen, haben in den meisten Fällen die Zentralregierungen dem
Bürger nicht ihren Mehrwert darstellen können. Wenn die Bürger der
Auffassung sind, dass sein Leben auch hinreichend durch eine
Regionalregierung geordnet werden kann, dann sollte man sich dem
Souverän beugen.
DI
Mathias Gruböck Baden, 22.10.2017
Unternehmens-
und Organisationsberater
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen