08 April 2018

Scharade

Man kann ja bekanntlich nicht nicht kommunizieren. Ein schöner Fall dieser Regel liegt im Fall des Giftes Nowitschok vor. Da gibt es ein paar Key-Player, ein paar New-Comer und ein paar die im Hintergrund ihre Ränkespiele spielen wollen.

Die Key-Player sind russische Chemiewaffenforscher und ihr britisches Pendant. Ein russischer Chemiker entschließt sich offenbar in den 90ern gegen Kampfstoffe deren Bestandteile offenbar sehr gut als Insektenvertilgungsmittel durchgehen vorzugehen. Nennen wir ihn Wil Mersajanov. Solange er das in Russland tut hat er die volle Unterstützung der Nervengift-Community aus dem Westen. Irgendwann gibt der kämpferische Tartar Wil auf und übersiedelt nach Berkley. Jetzt sind Chemiker durch ihre Abhängigkeit von Hochleistungslaboren auch sehr von den diese bereitstellenden Strukturen abhängig.

Wil hat eine Mission. Er will die Nowitschok-Gruppe und deren Strukturformel in die Liste der Chemiewaffen aufgenommen sehen. Doch plötzlich wendet sich das Blatt. Die USA und GB mit ihren Chemiewaffenlaboren haben bereits das was sie wollten – sie kennen die Strukturformel und dazugehörige Forschungsergebnisse und haben keinerlei Interesse die Nervengifte unter die OPWC-Sanktionen zu stellen. Stell dir vor du hast eine Waffe vom Feind, die niemand kontrollieren kann. Als Wil jetzt seine Bestrebungen im Westen fortsetzt die Nowitschok-Gruppe als Chemiewaffen verbieten zu lassen grätschen ihm genau die zuvor unterstützenden westlichen Chemiewaffenforscher rein. Er bekommt keinen Verlag für seine Veröffentlichung seiner Strukturformel und still und heimlich kauft das FBI die im Eigenverlag erschienen Bücher auf.

2011 erscheinen Forschungsergebnisse aus der Tschechei zum Thema Nowitschok und aus Porton Down kommen nach dem Anschlag mit Nowitschok in nur 6 km Entfernung seiner geheimen Forschungslabors, die bis 1989 gerne auch Nervengifte an britischen Soldaten ausprobierten, eher Dementis, die darauf schließen lassen, dass Nowitschok dort verfügbar ist oder dort zumindest produziert wurde. Gary Aitkenhead dementriert jedenfalls laut Presse, dass Nowitschok produziert wurde ODER die vier Wände von Porten Down verlassen hätte. Das britische Außenministerium assistiert darin indirekt indem es einen Tweet löscht, der den Nachweis der Herkunft des Giftes aus Russland behauptete.

Die Strategie der Medien ist auch weiterhin Moskau die Nicht-Erklärung von Fragen vorzuwerfen die sie selbst nie den westlichen Führern gestellt haben. Jedes Argument der Russen ist nur ein weiterer Nachweis für ihre Verlogenheit und Verschlagenheit, wo hingegen der Westen weiterhin auf seiner Indizienkette aus MH17-Abschuß und Giftgas-Einsatz in Syrien besteht – wo immer die gleichen Muster bedient werden, man Untersuchungen immer so anlegt, daß man eigene Informationen und Kritik massiv unterdrückt um dann in einem kaskadierenden Berichtswesen am Schluss durch einige „dienstnahe“ Untersuchungsteilnehmer, off the records die Russen als Schuldige zu entlarven.

Eines steht jedenfalls fest: wenn man Verschwörungstheorien provozieren will muss man es genau wie die Briten machen. Sofortige Anklage des Feindes bei Null Beweislage – soetwas schaut immer nach einer plumpen Verschwörung aus. Das wird wieder Millionen kosten in den diversen Gremien diese „Story“ so lange durchzuboxen bis der Widerstand der Denkbegabten wieder einmal gebrochen wird. Geschichte wird eben gemacht. Aber wenn es jetzt wirklich heißt, dass der russische Geheimdienst den Skripals Nowitschok auf die Türklinke geschmiert hätte, dann macht es sich der Westen diesmal noch schwieriger den Leuten das einzubläuen. Speziell wenn es Chance auf tiefe Temperaturen und Regen gegeben hat. Weil dann werden ja manche Varianten von Nowitschok zähflüssig und instabil. Weswegen sie auch nie vom russischen Militär ins Waffenarsenal übernommen wurden. Die Probleme bei der Ausbringung von Nowitschok auf feuchten, kalten und metallischen Untergründen kann man ja als Epigone auch nicht so genau studiert haben.

Vielleicht einigt man sich einmal in der NATO darauf, dass man die Russen nicht einfach für jeden intriganten Scheißdreck verantwortlich macht – nur weil man selbst das so gerne hätte (Vergl. Absturz der polnischen Präsidentenmaschine). Die Gebrüder Grimm-Ansätze von Gut und Böse sind vielleicht für kleine Kinder passend aber in angeblich so reifen Demokratien wird das langsam schwer zu glauben. Seit 2001 steigt der Drang des Westens Geschichten zu erfinden und Sagen zu basteln exponentiell an. Wieso eigentlich? Warum hat der Westen das so notwendig – wo er doch der Hort des absolut Guten ist?

DI Mathias Gruböck                                                               Baden, 08.04.2018
Unternehmens- und Organisationsberater

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