11 November 2016

Echoecho

In den Talkshows und Newssendungen der letzten Tage kann man sie fast physisch greifen – die Ratlosigkeit, ja fast die Verzweiflung der Teilnehmer. Was man bei Brexit noch als Zusammenspiel verschiedener unglücklicher Umstände ausmachen konnte, wird langsam zum System. Einigen schwant es langsam: In der Mitte, also dem Mainstream hat sich so etwas wie ein großer selbstreferenzieller Echoraum gebildet, der wirklich geglaubt hat, dass nur er alleine das Gute, Schöne und Wahre vertritt. Ein virtueller Raum, der eine Art monochromer Pseudopluralität entwickelt hat in der er in seiner permanenten Selbstreflexion an Hand von immer hohleren Schlagworten und Stehsätzen keine Veränderung im Außen mehr wahrnehmen kann und wahrscheinlich auch will. Da kommt dann immer das Gezeter über die bösen sozialen Medien, in denen die Menschen so unkontrolliert kommunizieren und ihre Meinungen austauschen und auch darüber, dass diese Menschen den Echoraum-Teilnehmern nicht mehr ihre wirklichen Meinungen kundtun. Hier könnte man natürlich anmerken, dass die Mainstream-Echoraum-Gläubigen auch nicht wirklich andere Dinge hören wollen oder, auf Grund des hochfrequenten Echos überhaupt hören können. Etwas zu leichtfertig ist der Umgang mit der Meinungsfreiheit der anderen. Rechts/Links-Populisten, Verschwörungstheoretiker, Putin-Versteher, Terroristen, Islamisten, Sexisten, Rassisten und was es da nicht alles an Wertungs- und Entwertungstermini für alles außerhalb des großen Leitechoraumes gibt.

Dabei ist es zunehmend schwierig für diese Leitechoräume die eigene Konsistenz zu erhalten. Das bescheinigen dann alle, dass es immer komplizierter wird. Der Grundtenor: Man muss einfach gegen die Bevölkerung agieren, da diese einfach zu dumm sei das große Ganze, die übergeordneten Zusammenhänge erkennen zu können. Ungeniert werden Machteliten höhere Rechtfertigungskapazitäten für die Durchsetzung ihrer Interessen zugesprochen und eine, durch die simple Vernetzung mit diesen Machtnetzwerken erlangte Fähigkeit mit Komplexität jeder Ordnung umgehen zu können, wird postuliert. Vereinfachungen in der Kommunikation mit dem „normalen“ Volk stellen meist axiomatische Slogans dar, zunehmend simple Behauptungen, bei denen es immer öfter auf das Stakkato ankommt anstatt inhaltlich besonders irgendwelchen Fakten oder gar der Wahrhaftigkeit verhaftet zu sein. Es geht viel mehr um Glauben als um Wissen. Speziell im Mainstreamechoraum. Zunehmend erfüllen diese Glaubenssätze die Konstruktionsgrundsätze dieser Echoräume, die sich immer weiter von den realen Vorgängen, Strategien und Handlungen entfernen. Der grundlegenden Glaubenssatz im Mainstreamechoraum ist, dass es angeblich im Handeln von Machthabern nur um Freundschaft, Werte und Freiheit ginge. Diese Position wird zunehmend schwieriger, trotz der massiven Anstrengungen alle die etwas anderes behaupten (und damit keine glatte Reflexionswand im Echoraum darstellen) zu diffamieren. Gleichzeitig besteht offenbar eine gewisse Tendenz die Mainstreamechoräume selbst durch Konterdiffamierung aufzusprengen.

Im Endeffekt führen beide Strategien zu einer gesteigerten Unordnung, da große Gruppen nur durch eine sehr enge Übereinstimmung zwischen Realität und Anspruch geführt werden können. Nur durch beinharte Wahrhaftigkeit und starke reale Interaktion zwischen den Systemteilnehmern kann ein Vertrauen in die Führung im Sinne der gemeinschaftlichen Interessen entstehen. Beispielsweise stehen Aussagen wie „Wir sind das Volk“ Tendenzen der zentralen Definition wer Gemeinschaft und Solidarität bilden müsse zunehmend gegenüber. Diese Widersprüche wiederum ließen sich durch wahrhaftiger Aussagen über die eigenen Verantwortung (zum Beispiel an Angriffskriegen) gegenüber der angegriffenen Bevölkerung viel leichter auflösen. Auch Aussagen darüber, dass man es für besser erachtet Erdgas vom Emirat Katar zu beziehen als von Russland und man daher in Syrien eine Schneise für die 10 Milliarden Euro-Pipeline erobern muss unter gleichzeitiger Verhinderung von neuen Pipelinebauten im Schwarzen Meer-Raum rund um die Krim würden die Komplexität der Kommunikation und damit der Politik nicht über die Maßen erhöhen. Vielleicht würden die Menschen dann auch eher bereit sein, dass sie im Abtausch für niedrigere Gaspreise (wobei, das nicht gesichert ist, da es hier eher um eine Profitverlagerung geht) auch vermehrt Kriegsopfern Asyl bereitstellen würden. Das sieht jeder EU-Bürger ein, dass man nicht einfach kostenlos eine Schneise durch Syrien bomben kann ohne etwas für die vertriebenen Eingeborenen zu tun. Auch kann man dann sehr einfach die Politik der Türkei gegenüber erklären, da diese nur klar auf Seiten der „Freunde Syriens“ zu dem ursprünglichen Pipelineprojekt stehen müssen um wertvoll behandelt zu werden. Falls diese wiederholt Russland die Ausweichroute für den geschlossenen Flaschenhals Ukraine aufmachen sollten, werden sie genauso wie Russland militärisch/sanktioniert daran gehindert werden. Es ist ziemlich simpel wenn man nur möglichst wahrhaftig bezüglich der relevanten Machtattraktoren bleibt. Es geht ums Öl, Gas und andere Bodenschätze, die man er- oder ausbeuten will. Dafür benötigt man massiv militärische Macht um die Gebiete der Exploration zu erobern und die Transportrouten militärisch abzusichern. Der Rest der Geschichten wird in den Echo-Nebelkammern behandelt in denen alles andere, nur nicht die wahren Beweggründe, zur Vernebelung herangezogen wird. Das ist im Prinzip die Offenbarung des Herrn Trump, der die etablierte Machtelite in ihren Echo- und Nebelkammern mit ihren eigenen stilistischen Mitteln etwas aufgescheucht hat. Er ist der Guru der Strategie, dass man nur jeden noch so großen Schwachsinn häufig genug wiederholen muss, dass zumindest niemand mehr dagegen opponiert. Trump ist in diesem Sinn nur der Meisterschüler des Systems der Machtorganisatoren, denen in Wirklichkeit nur durch ein wirklich freies Internet Paroli geboten werden kann. Hier ist die letzte Schlacht noch nicht geschlagen, wo es darum geht, dass entweder die Machteliten das Internet zu einem noch umfassenderen (Macht-)Kontrollinstrument ausbauen können oder ob es den Nutzern gelingt, das Internet in seiner basisdemokratischen Funktion zu erhalten. Sowohl bei Pipelines alsauch im Internet geht es um Netzkontrolle. Die Eliten der Welt führen gerade massive verdeckte Kriege um beides. Hier sterben Menschen für den Zugang zu Energie und Information. Meistens dann, wenn die einen diesen Zugang und die Kontrolle darüber erzwingen wollen und die anderen dabei im Wege stehen.

DI Mathias Gruböck                                                                                              Baden, 11.11.2016
Unternehmens- und Organisationsberater


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