In
den Talkshows und Newssendungen der letzten Tage kann man sie fast
physisch greifen – die Ratlosigkeit, ja fast die Verzweiflung der
Teilnehmer. Was man bei Brexit noch als Zusammenspiel verschiedener
unglücklicher Umstände ausmachen konnte, wird langsam zum System.
Einigen schwant es langsam: In der Mitte, also dem Mainstream hat
sich so etwas wie ein großer selbstreferenzieller Echoraum gebildet,
der wirklich geglaubt hat, dass nur er alleine das Gute, Schöne und
Wahre vertritt. Ein virtueller Raum, der eine Art monochromer
Pseudopluralität entwickelt hat in der er in seiner permanenten
Selbstreflexion an Hand von immer hohleren Schlagworten und
Stehsätzen keine Veränderung im Außen mehr wahrnehmen kann und
wahrscheinlich auch will. Da kommt dann immer das Gezeter über die
bösen sozialen Medien, in denen die Menschen so unkontrolliert
kommunizieren und ihre Meinungen austauschen und auch darüber, dass
diese Menschen den Echoraum-Teilnehmern nicht mehr ihre wirklichen
Meinungen kundtun. Hier könnte man natürlich anmerken, dass die
Mainstream-Echoraum-Gläubigen auch nicht wirklich andere Dinge hören
wollen oder, auf Grund des hochfrequenten Echos überhaupt hören
können. Etwas zu leichtfertig ist der Umgang mit der
Meinungsfreiheit der anderen. Rechts/Links-Populisten,
Verschwörungstheoretiker, Putin-Versteher, Terroristen, Islamisten,
Sexisten, Rassisten und was es da nicht alles an Wertungs- und
Entwertungstermini für alles außerhalb des großen Leitechoraumes
gibt.
Dabei
ist es zunehmend schwierig für diese Leitechoräume die eigene
Konsistenz zu erhalten. Das bescheinigen dann alle, dass es immer
komplizierter wird. Der Grundtenor: Man muss einfach gegen die
Bevölkerung agieren, da diese einfach zu dumm sei das große Ganze,
die übergeordneten Zusammenhänge erkennen zu können. Ungeniert
werden Machteliten höhere Rechtfertigungskapazitäten für die
Durchsetzung ihrer Interessen zugesprochen und eine, durch die simple
Vernetzung mit diesen Machtnetzwerken erlangte Fähigkeit mit
Komplexität jeder Ordnung umgehen zu können, wird postuliert.
Vereinfachungen in der Kommunikation mit dem „normalen“ Volk
stellen meist axiomatische Slogans dar, zunehmend simple
Behauptungen, bei denen es immer öfter auf das Stakkato ankommt
anstatt inhaltlich besonders irgendwelchen Fakten oder gar der
Wahrhaftigkeit verhaftet zu sein. Es geht viel mehr um Glauben als um
Wissen. Speziell im Mainstreamechoraum. Zunehmend erfüllen diese
Glaubenssätze die Konstruktionsgrundsätze dieser Echoräume, die
sich immer weiter von den realen Vorgängen, Strategien und
Handlungen entfernen. Der grundlegenden Glaubenssatz im
Mainstreamechoraum ist, dass es angeblich im Handeln von Machthabern
nur um Freundschaft, Werte und Freiheit ginge. Diese Position wird
zunehmend schwieriger, trotz der massiven Anstrengungen alle die
etwas anderes behaupten (und damit keine glatte Reflexionswand im
Echoraum darstellen) zu diffamieren. Gleichzeitig besteht offenbar
eine gewisse Tendenz die Mainstreamechoräume selbst durch
Konterdiffamierung aufzusprengen.
Im
Endeffekt führen beide Strategien zu einer gesteigerten Unordnung,
da große Gruppen nur durch eine sehr enge Übereinstimmung zwischen
Realität und Anspruch geführt werden können. Nur durch beinharte
Wahrhaftigkeit und starke reale Interaktion zwischen den
Systemteilnehmern kann ein Vertrauen in die Führung im Sinne der
gemeinschaftlichen Interessen entstehen. Beispielsweise stehen
Aussagen wie „Wir sind das Volk“ Tendenzen der zentralen
Definition wer Gemeinschaft und Solidarität bilden müsse zunehmend
gegenüber. Diese Widersprüche wiederum ließen sich durch
wahrhaftiger Aussagen über die eigenen Verantwortung (zum Beispiel
an Angriffskriegen) gegenüber der angegriffenen Bevölkerung viel
leichter auflösen. Auch Aussagen darüber, dass man es für besser
erachtet Erdgas vom Emirat Katar zu beziehen als von Russland und man
daher in Syrien eine Schneise für die 10 Milliarden Euro-Pipeline
erobern muss unter gleichzeitiger Verhinderung von neuen
Pipelinebauten im Schwarzen Meer-Raum rund um die Krim würden die
Komplexität der Kommunikation und damit der Politik nicht über die
Maßen erhöhen. Vielleicht würden die Menschen dann auch eher
bereit sein, dass sie im Abtausch für niedrigere Gaspreise (wobei,
das nicht gesichert ist, da es hier eher um eine Profitverlagerung
geht) auch vermehrt Kriegsopfern Asyl bereitstellen würden. Das
sieht jeder EU-Bürger ein, dass man nicht einfach kostenlos eine
Schneise durch Syrien bomben kann ohne etwas für die vertriebenen
Eingeborenen zu tun. Auch kann man dann sehr einfach die Politik der
Türkei gegenüber erklären, da diese nur klar auf Seiten der
„Freunde Syriens“ zu dem ursprünglichen Pipelineprojekt stehen
müssen um wertvoll behandelt zu werden. Falls diese wiederholt
Russland die Ausweichroute für den geschlossenen Flaschenhals
Ukraine aufmachen sollten, werden sie genauso wie Russland
militärisch/sanktioniert daran gehindert werden. Es ist ziemlich
simpel wenn man nur möglichst wahrhaftig bezüglich der relevanten
Machtattraktoren bleibt. Es geht ums Öl, Gas und andere
Bodenschätze, die man er- oder ausbeuten will. Dafür benötigt man
massiv militärische Macht um die Gebiete der Exploration zu erobern
und die Transportrouten militärisch abzusichern. Der Rest der
Geschichten wird in den Echo-Nebelkammern behandelt in denen alles
andere, nur nicht die wahren Beweggründe, zur Vernebelung
herangezogen wird. Das ist im Prinzip die Offenbarung des Herrn
Trump, der die etablierte Machtelite in ihren Echo- und Nebelkammern
mit ihren eigenen stilistischen Mitteln etwas aufgescheucht hat. Er
ist der Guru der Strategie, dass man nur jeden noch so großen
Schwachsinn häufig genug wiederholen muss, dass zumindest niemand
mehr dagegen opponiert. Trump ist in diesem Sinn nur der
Meisterschüler des Systems der Machtorganisatoren, denen in
Wirklichkeit nur durch ein wirklich freies Internet Paroli geboten
werden kann. Hier ist die letzte Schlacht noch nicht geschlagen, wo
es darum geht, dass entweder die Machteliten das Internet zu einem
noch umfassenderen (Macht-)Kontrollinstrument ausbauen können oder
ob es den Nutzern gelingt, das Internet in seiner basisdemokratischen
Funktion zu erhalten. Sowohl bei Pipelines alsauch im Internet geht
es um Netzkontrolle. Die Eliten der Welt führen gerade massive
verdeckte Kriege um beides. Hier sterben Menschen für den Zugang zu
Energie und Information. Meistens dann, wenn die einen diesen Zugang
und die Kontrolle darüber erzwingen wollen und die anderen dabei im
Wege stehen.
DI
Mathias Gruböck Baden, 11.11.2016
Unternehmens-
und Organisationsberater
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