15 Oktober 2016

Voll gegen die Wand

Der Westen tut sich schwer. Langsam funktioniert das nicht mehr so mit der Beherrschung der Welt. Vielleicht hat er sich da auch etwas zu viel zugemutet. Das kristallisiert sich immer mehr an den Konfliktpunkten der Welt heraus. Fast scheint es so, als ob sich der Westen jetzt mehr in Nebenschauplätzen (Niger, Mali usw.) austobt weil er zusehend erkennen muss, dass er in den größeren Machtkonflikten gegen die Mauer läuft. Außerdem verlieren die westlichen Machthaber immer mehr an Glaubwürdigkeit und Zustimmung in ihren eigenen Bevölkerungen. Ganz schlechte Voraussetzungen für eine weitere Runde im Machtpoker. Die nächste Runde hieße zumindest regionale Kriege gegen den Feind zu führen.

Der Feind des Westens sind offensichtlich die BRICS Staaten, die in den Schwellenländern und Entwicklungsländern zunehmend an Einfluss gewinnen. Vorbedingung für mehr Macht und Einfluss ist die Kontrolle der Ressourcen und damit maßgeblichen Einfluss (wenn nicht gar direkte Kontrolle) der globalen Rohstoffmärkte. Rohstoffe und Energie = Weltmacht.

Der Preis dafür Weltmacht zu sein wird zunehmend unwilliger von den eigenen Bevölkerungen getragen. Kriege senken die durchschnittliche Lebenserwartung, kosten manchmal auch der eigenen Bevölkerung mehr als andere Teile der Gesellschaft wirtschaftliche erbeuten und belasten die innerstaatliche Solidarität. Gesellschaftliche Modelle, dass die eine, unterprivilegierte Gruppe immer dafür ins Gras beißen muss, dass eine andere Gruppe immer mehr Vermögen anhäufen kann, führen zwangsläufig zu Spannungen, die von staatlichen Machtapparaten sehr genau kontrolliert und überwacht werden müssen um nicht überkritisch zu werden.

Die sich daraus ergebende Strategie des Kriegs-Outsourcings in verbündete Staaten des eigenen Machtbereiches führt aber auch sehr schnell zu mühevollen Anstrengungen diese, sich der zentralen Hegemonie unterwerfenden Gesellschaften in einen Kriegsmodus zu versetzen. Sowohl Feindbildgenerierung alsauch unterschiedliche weltmacht-intrinsische Interessenslagen, lassen hier sehr leicht destruktiv-chaotische Systemzustände entstehen, die sich schnell jeder strategischen Kontrolle entziehen. Es schaut fasst nach einem Wettlauf mit der Zeit aus, ob sich (selbst)zersetzende Kräfte schneller ausbreiten als machtzentrierende Kräfte gegen Feindbilder aufgebaut werden können. Dies zeigt sich an den aktuellen „Hot Spots“ der militärischen Konfliktrealisierung. In Syrien läuft derzeit ein Schneeballeffekt der progressiven Destruktion, der kaum mehr vielfältiger sein kann. Die einzige Lösung des Westens wäre das eigentliche verdeckte Kriegsziel, die Machteroberung in Syrien, durch eine direkte Konfrontation mit Assad/Russland endgültig zu einem überregionalen Krieg zu machen. Hierfür müsste der Westen aber seine wirklichen Kriegsziele noch transparenter offenlegen und müsste von der Strategie sich selbst als „Weltpolizist“ in den Konflikt hineinzureklamieren ein für allemal aufgeben. Nur um einen Konflikt soweit zu verschärfen, dass es ein wirklicher multinationaler Krieg wird (was er eigentlich ja schon lange ist) Vielversprechender ist hier schon die Strategie der Welthegemonen sich die eigenen wirtschaftspolitischen Machtansprüche gegenüber den eigenen Vasallenstaaten dafür absegnen zu lassen um im Abtausch dafür diese nicht weiter in Kriege hineinzuverwickeln. Die vorherrschende Strategie der Weltmachtklüngel dürfte überhaupt in die Richtung gehen, dass man den Primus inter Pares spielt und ganz genau darauf schaut, dass alle anderen sich nicht zusammentschließen und schön brav Macht-Parier bleiben. Teile und herrsche, das ist der Ansatz. Die Chinesen jedoch fahren einen viel erfolgreicheren Kurs in Afrika. Sie schaffen Win-Win-Situationen wo der Westen stupide auf Militärinvestitionen und Festigung retro-kolonialer Hegemoniepolitik setzt. Das ist der größte Schwachpunkt der USA-GB-Kolonialisierungsbestrebungen mit der französisch-holländischen me-too Haltung. Unterm Strich sind die militärischen Strategien einzig und alleine Quersubventionierungen des militärisch-wirtschaftlichen Komplexes auf Kosten der „bekriegten“ Regionen und vor allem deren Menschen. Jetzt steht anscheinend die Entscheidung des nächsten Schrittes an. Entweder weitere Investitionen in die verdeckten Kriege mit Rudel-Verantwortung mit der Gefahr einer massiven Eskalationssteigerung mit überregionalen Konfliktszenarien oder ein Zurückfahren der Fütterung der Decisionmaking-Systeme mit Kriegsauslöserdaten. Was viele gar nicht mehr verstehen ist, dass viele der Vorgänge in dieser Eskalationsspirale gar nicht mehr direkt von Menschen beeinflussbar und steuerbar sind, sondern durch ähnliche Systeme getätigt werden, die gerade zu einem sekundenlagen Total-Absturz des Pfundes geführt haben. Nur bei Atomraketen erholt sich der Bedrohungslevel nicht nach dem Unterschreiten des auslösenden Bedrohungslevels. Eine Atomrakete die einmal abgefeuert wurde löst ihrerseits wieder derart viele automatisierte Antworten aus, dass es einer vollkommen der menschlichen Entscheidungs- und Willensbildung entzogenen Situation kommt. Vielleicht sind wir dann schon so weit, dass Maschinen und Roboter die Menschheit ausrotten können. Oder zumindest die westliche Kultur – was bis zu einem gewissen Maße eine evolutionäre Selektion darstellen würde. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass Roboter und Vernichtungsmaschinen die Menschen dezimieren, die mit der Automatisierung im Allgemeinen und der Automatisierung des Tötens im Speziellen gar nichts zu tun haben, da diese meist die notwendigen Ressourcen für die kostengünstige Produktion von Robotern und Maschinen verfügen. Dies vor allem vor dem Hintergrund der maximalen Auslegung neoliberaler Wirtschaftskonzepte, die auch das Töten und Kriegführen als eine Art Produktionsprozesse verstehen, die durch weitestgehende Automatisierung von der Abhängigkeit der Leistungserbringung durch Menschen entkoppelt werden. Dies schafft neue Machtzentren, die Kriegsführung ohne Einbindung ganzer Völker leisten können. Die Verfügbarkeit von Ressourcen wie Rohstoffe und Energie wird durch automatisierten Transformationsprozesse von Geld in (militärische, wirtschaftliche, mediale, juristische und politische) Macht zusehend erleichtert.

Die Zeichen stehen dafür, dass die Selbstverstärkung des westlichen Systems auf den Attraktor Krieg abzielen, da zusehend Dämpfungsmechanismen ausgeschaltet werden. Wenn deutsche Verfassungsrichter in einem Urteil über einen Handelsvertrag über den Verlust der Glaubwürdigkeit Deutschlands als eine Begründung einer Ablehnung eines Stopps erklären, dann klingt das immer mehr nach einem „es geht um Loyalität“ oder „Treueschwur“ irgendwelchen „globalen Interessen“ gegenüber, die eigentlich keiner kennt, noch genau darlegen kann, geschweige, dass diese sich einem demokratischen Prozess gegenüber öffnen würden. Es ist so wie immer, keiner weiß warum, aber man soll ja dazu sagen – sonst steht man blöd da. Die Wiederauferstehung eines Systems von Mitläufern, die „nur“ einem Befehl (Systemerwartung) gehorcht haben. Hoffen wir alle, dass wir es später „Schwarmintelligenz“ nennen können. Zumal die EU immer mehr zum Epizentrum dieser Art der politischen Intelligenz wird, negierend, dass Viehhirten seit Jahrtausenden ganze Herden von physisch überlegenen Tieren (z.B.: Kühen) dorthin treiben können wohin sie es bestimmen. Das kann uns schwarmintelligenten Europäern sicher nicht passieren – die Cowboys sind doch unsere Freunde und wollen uns nur mit ihrem besten Futter versorgen – zu ihrem supergünstigen Preis.


DI Mathias Gruböck                                                                                               Baden, 15.10.2016
Unternehmens- und Organisationsberater


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