Ich kann es nicht mehr hören oder lesen, diese dauernden
Selbstdarsteller in Facebook oder anderen sozialen Medien – jeder
der nicht Franz von Asisi-like alles versteht und alles gutiert was
andere machen wird als Nazi bezeichnet. Menschen, die noch nie auch
nur die kleinste Form von Mangel erleben mussten oder die, wenn sie
irgendwer schräg angeht auf FB (vollkommen virtuell) nach einem
Kriseninterventionsteam oder dem Staatsanwalt rufen, beschwören eine
Nazi-Inflation herauf, die ihresgleichen sucht. Das ist schon etwas
fragwürdig für alle Menschen die wirklich unter dem
Nationalsozialismus gelitten haben und auch für alle die damals
umgekommen sind.
Wenn man noch nie Mangel gespürt hat, ist es leicht mit allen zu
teilen. Es gibt aber Menschen, die nicht so viel Vertrauen in die
Politik, die Zukunft, die Wirtschaft oder auch nur sich selbst haben.
Es gibt auch noch Menschen, die erfahren mussten, dass Ressourcen
begrenzt sind und wenn es nichts mehr gibt man auch nichts mehr
kaufen kann (Großelterngeneration oder ehemalige Bürger des
Comecon). Auch gibt es immer mehr Menschen, die die Erfahrung machen
mussten wie wenig man mit anderen teilen kann, wenn man keinen
Arbeitsplatz mehr hat, wie abhängig der Überfluss von der Teilnahme
am Wirtschaftssystem ist. Manche habe trotz langjähriger ehrlicher
Arbeit nichts, was sie mit anderen teilen könnten.
Manchmal sind das ganz normale Menschen. Sie gehören nicht einmal
einer förderungswürdigen Minderheit an. Sind keine unterdrückten
Frauen, ausgegrenzte Schwule, zuagreiste Migranten oder Behinderte,
denen die Gesellschaft ihr Augenmerk schenkt und sie unterstützt.
Einfach Normalos. Das können durchaus viele sein, jedoch sind sie
nicht als Gruppe erkennbar oder bestimmbar, da sie vollkommen normal
sind. Man sieht sie nicht. Trotzdem wollen die auch gleichberechtigt
in diesem Staate leben. Ist auch nicht so, dass der Staat bisher
dieser unsichtbaren Menge an Normalos nicht schon einiges aufgetragen
hat zu teilen. Findet eigentlich auch jeder ganz normal, dass wenn er
ein normales Leben führt er andere auch leben lassen muss. Wenn es
allen halbwegs gut geht, dann gibt’s keinen Streit und keinen
Konflikt. Naja, der Staat beschäftigt eben dann eine Unmenge an
Beamten, damit diese hauptsächlich die Normalos dabei kontrollieren,
wie sie ein normales Leben leben. Rechtsstaat nennen das die Beamten.
Jeder Normalo kann den einen oder anderen Schwank erzählen, wo er
mit Funtastaasia in Berührung gekommen ist. Manche, die wirklich an
den Rechtsstaat glaubten, haben dann noch ganz andere Geschichten auf
Lager. Die zeugen von einem gar nicht so gewaltfreien und
bürgerbestimmten Staat. Zum Beispiel wird man heutzutage schon mit einem Straftäter gleichgesetzt wenn man sich Dinge im Internet herunterlädt.
Wie gesagt, plötzlich gilt das alles nichts mehr, da andere Menschen
vor deren Staats- und Kriegsgewalten fliehen müssen. Diese
Notsituation in entlegenen Gebieten der Welt und am südlichen Rand
des Mittelmeeres gestattet es nun diesen Flüchtlingen sich über
jeden Ordnungs- oder Strukturierungsversuch hinwegzusetzen.
Grenzübertritte, Bürgerrechte, Transportmittel,
Niederlassungsfreiheit – alles ist ihnen erlaubt und es werden noch
mehr Bedürfnisse dieser neuen Mitbürger zu stillen sein. Das Recht
auf Wohnung, auf Arbeit, auf Schulbildung, auf Religionsfreiheit, auf
Altersversorgung und viele andere der Bürgerrechte werden noch
umzusetzen sein.
Speziell bei den Themen Arbeit und Wohnraum sind aber bereits jetzt
für eine Vielzahl von Menschen in diesem Land die Ressourcen knapp.
Menschen die Angst um ihre Lebensumstände haben werden relativ
schnell den Wunsch äußern, den Zuzug von tausenden Menschen,
höchstwahrscheinlich zu 100% in die Ballungsgebiete, zu unterbinden
oder zumindest nicht weiter ansteigen zu lassen. Vielleicht haben
diese Menschen nicht mit der Selbstgefälligkeit jener aufzuwarten,
die ihre moralische Vorzüglichkeit und ihre unantastbar hohen
ethischen Levels im Facebook posten. Viele machen es sicherlich auch
einfach aus Überzeugung. Nur viele Ansessige, deren
Problemstellungen und Lebensaufgaben niemanden medienwirksam
interessieren, haben vielleicht die Überzeugung, dass es für ihr
Leben weitere Probleme bedeutet, wenn jedes Jahr die Größenordnung
der 5. oder 6. größten österreichischen Stadt an Neubürgern
einwandert. Ist natürlich alles ganz falsch – Probleme bereitet es
nur beim Medizinstudium, wenn zu viele deutsche EU-Bürger nach
Österreich studieren kommen. Diese normalen
Wachstums-Ressourcen-Mehrverbrauchs-Verlierer lehnen daher Zuwanderer
tendenziell eher ab. Ablehnung bei einem „Gast“ (?) ist nicht
gastfreundlich – daher wird es von denjenigen die alle aufnehmen
lassen wollen als feindlich empfunden. Also Fremdenfeindlich, da die
Neuankömmlinge ja Fremde sind. Im nächsten Schritt wird die Kette
nicht-gastfreundlich → fremdenfeindlich mit rassistisch
gleichgesetzt. (Formal schwierig, da diese „Grenzendichthalter“
ja die Fremden gar nicht ins Land lassen wollen – was logisch
stringent von diesem Ansatz her nicht Rassismus sein kann, da ein
Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen die gar nicht Teil der
Gesellschaft sind formal nicht möglich ist – erst wenn sie
zugezogen sind, können sie als Minderheit rassistische Anfeindungen
unterzogen werden – ist aber Haarspalterei).
Faktum ist, dass in einer Demokratie auch die Meinung gelten darf,
dass man es nicht will, dass unreglementierter und unkontrollierter
Zuzug von neuen Mitbürgern, für die man sofort auch die
Solidaritätspflicht des Teilens zu tragen hat, stattfindet. Über
die eine oder andere Ausdrucksweise kann man sich sicherlich
alterieren, jedoch gilt es hier eindeutig das Recht auf
Meinungsfreiheit zu verteidigen. Die Killerphrasen die hier bei
„unerwünschten“ Meinungsäußerungen verwendet werden erfüllen
zum Teil ebenfalls schon den Ansatz der Verhetzung in sich.
Sofort als Nazi, Hooligan oder Rassist tituliert zu werden und in der
Folge mit Postings, die nahelegen, dass man das Wohngebiet von diesen
eben selbstdefinierten Nazis befreit um 1000 Asylwerber
anzusiedeln, stellt sich durchaus grenzwertig dar. Ein politisches
Verständnis, dass seine Freude über das Ableben von verunfallten
politischen Kontrahenten ausdrückt, rundet eine Aushöhlung des
Gedanken des politischen Wettbewerbs zum nackten Wett-Kampf ab. Der
immer salonfähigere Wunsch der Vernichtung des Mitbewerbs mit allen
Mitteln um die Gunst der Wahlbevölkerung für sich zu erobern, indem
man die Wahlfreiheit einzuschränken versucht, entspringt auch nicht
der Werthaltung, die so manche vorgeben damit zu verteidigen. Etwas mehr Mut zur Größe und Stärke tut Not.
Es hilft einfach nichts in einer Demokratie, wenn die Mehrheit
anderer Meinung ist, die Mehrheit als dumm / Nazis / rechtes Pack und
so weiter zu desauvrieren. Weil jemand einen provokanten Schwachsinn
jetzt statt auf Wände ins Facebook schmiert muss man sich nicht
gleich vor dem Untergang des Abendlandes fürchten. Außer man hat
wirklich Angst, dass die Menschen so blöd sind, wie sie von den
Werbefritzen und den Brüssel-Lobbys gehalten werden. Dann hilft aber
auch kein noch so heftiges Posten dagegen, da es an den
aufnahmefähigen Rezipienten mangelt. Und zu erst Massenpanik zu
stiften um dann auf die Schwarmintelligenz zu setzen ist auch kein
tolles Konzept. Das ist die wahre Lösung der Integrationsfrage –
alle ziehen nach Deutschland :-) Die Integration der EU beginnt in
Deutschland – jeder der etwas dagegen hat ist ein Nazi! So einfach
ist das. Und schon wieder ein Problem gelöst. Und hört endlich auf
die Opfer des echten Nazi-Regimes zu schänden, indem jetzt jeder der
ein paar zusammenhängende provokante Sätze in eine Tastatur hämmern
kann als Nazi bezeichnet wird. Ein bisschen weniger Hysterie kann man
sich nach getaner Gutmenschen-Arbeit schon auch walten lassen. Sonst
müsste man ja fast annehmen, dass die Gutmenschen Angst vor den paar
Krakeelern haben. Gutmenschen machen per Definition alles richtig und
müsse daher keine Angst haben. Außer man hat Angst davor, dass eine
echte Demokratie sich wirklich mit wechselnden Mehrheiten
beschäftigt. Das soll sogar das Erfolgsgeheimnis des demokratischen
Ansatzes gewesen sein.
DI Mathias Gruböck Baden, 05.09.2015
Unternehmens- und Organisationsberater
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