20 Dezember 2016

Scheinheilig

Die EU schreibt in ihrem Sanktionen gegen den Widerstand der anerkannten syrischen Regierung gegen ihren Sturz, folgende Embargogesetze der wirtschaftlichen Kriegsführung vor (Auszug):

Aktueller Stand der Sanktionen gegen Syrien

Waren- und Personenembargos der EU

Zur finanziellen Unterstützung der syrischen Opposition und im Interesse der syrischen Zivilbevölkerung besteht nachstehende Ausnahme (Art 9a):
Die EU-Mitgliedstaaten können die Eröffnung neuer Konten bei einem syrischen Bankinstitut bzw. die Gründung einer neuer Repräsentanz oder Zweigniederlassung von EU-Bankinstituten in Syrien genehmigen, wenn die Nationale Koalition der Kräfte der syrischen Revolution und Opposition zuvor vom EU-Mitgliedstaat konsultiert wurde (WKO.at)

In allen Sanktionsvorschriften sind die IS-Verbände mit keinem Wort (!) erwähnt. Die Sanktionen richten sich alleiniglich gegen den Staat Syrien. Wer kennt die bitte die „nationale Koalition der Kräfte der syrischen Rebellen“? Ein Gesetzestext oder eine Verordnung der EU die von irgendwelchen Fatamorgana-Truppen die fleißig finanzielle Zuwendung bekommen sollen schwadroniert. Nigel Farage hat unrecht damit, dass die Migrationspolitik von Frau Merkel an dem Anschlag an einem Berliner Christkindelmarkt Schuld trägt. Die vehemente, langjährige und kriminelle Militärpolitik des Westens und seiner Verbündeten im arabischen Raum aber schon.

Man kann nicht über Jahre einfach Staaten destabilisieren, boykottieren und militärisch überfallen ohne, dass dies irgendwelche Auswirkungen hat. Unter Abwandlung eines alten Sprichworts: Wie man in die Wüste hineinruft so schallt es zurück. Sicherheit beginnt dort wo die Unsicherheit der anderen entsteht. Der Westen hat sich schon zu lange das Recht herausgenommen andere, ihm nicht gelegene Ordnungssysteme/Staaten/Völker zu untergraben und gegeneinander aufzuhetzen. Die Fehleinschätzung des Westens liegt vor allem darin, dass er glaubt, die in der Folge entstehenden chaotischen Zustände wieder in geordnete Bahnen leiten zu können. Dabei werden unreflektiert soziale und volksgruppenbezogene Atombomben gezündet oder zumindest unterfeuert um den erwünschten Regimechange zu bekommen. Wer Wind sät wird den (An)Sturm ernten.

Die Kräfte die dann die Umsetzung von sehr genau getimeten Anschlägen in Europa umsetzen haben alle ein sehr ähnliches Profil: alle eher aus dem kriminellen Umfeld, eher organisierter Kriminalitätshintergrund mit Drogenthemen. Alle haben gemeinsam, dass sie sich vor dem Anschlag stark motivieren müssen (hohe Geldbeträge, Aufputschmittel) und alle sind bis dahin nicht als sonderlich gläubig aufgefallen. Die angebliche „Radikalisierung über Nacht“ ist ein sehr fragwürdiges Erklärungskonzept, da die Attentäter auch meist nicht vor haben sich selbst zu opfern. Fluchtplanungen sind hier ebenfalls eher ein kriminelles Verbrechenselement als Zeichen einer religiösen Tat. Auch ist es nicht leicht erklärbar, warum der IS, der ein Gebiet im Irak, in Syrien und angeblich eine kleines in und um Sirte beherrschen soll (aber beispielsweise im Jemen, dass von Saudi Arabien und seinen Verbündeten „befreit“ wird überhaupt nichts (!?)) und von US-, KAN-, GB-, FR- und RUS-Bombern und bombardiert und von deren Spezialeinheiten angeblich bekämpft wird, in letzter Zeit immer in Deutschland Attentate verübt. Strategisch unlogisch, denjenigen anzugreifen, der einen selbst noch nicht direkt angreift. In Frankreich besteht hier, bei den anderen Anschlägen eine sehr hohe Korrelation mit Kriegseintritten und Abstimmungen über das Kriegsrecht. Was die strategische Zielsetzung der Angriffe in Belgien darstellen sollte ist vollkommen fragwürdig, da die EU viel mehr den gemeinsamen Feind Assad schwächen und bekämpfen will und wollte, als sich um das Thema IS sonderlich zu kümmern. Das einzige was die EU bis dahin in Richtung der IS unternommen hatte war, dass die Innenminister schon 2014 bezüglich der Dschihad-Rückkehrer Maßnahmen ergreifen wollten – bevor noch die meisten sich überhaupt erst dem IS in Syrien (und dem Irak?) angeschlossen hatten.

Dahingegen folgt die Ermordung des russischen Botschafters in der Türkei einem sehr eindeutigen strategischen Ziel – dem der Kurden, eine weitere Annäherung in der Syrienfrage zwischen den Russen und der Türkei zu untergraben. Ob die Kurden so ein Attentat ohne zumindest logistische Unterstützung ihrer Verbündeten durchführen können oder überhaupt wollen ist hier fraglich, da die Gefahr für die türkischen Kurden größer wäre als die möglichen Vorteile für die YPG u.a. So ein Anschlag spricht eher für größere strategische Planungszusammenhänge. Immerhin in einem NATO-Mitgliedsland wurde der russische Botschafter ermordet – passend zu der Konfrontationslinie zwischen Russland und einiger NATO-Staaten in Syrien. Das wirkliche Warnsignal ist dieses Attentat und nicht das, medienwirksamere in Berlin.

Blöd wenn das gemeine Volk jetzt den Schluss daraus ziehen würde, dass man sich verstärkt mit Russland zusammentun sollte, da diese offenbar die einzigen sind, die bisher wirkliche Erfolge im Kampf gegen den Islamismus (so es dieser überhaupt ist) vorweisen können. (Tschetschenien, Syrien) Das was die NATO da abliefert ist das Geld nicht wert, das dafür verbraten wird. Milliarden werden hier sinn- und ziellos verbuttert um gleichzeitig das Gefühl der Sicherheit in der Bevölkerung immer weiter zu untergraben. Wenn das wirkliche Ziel der NATO die Sicherheit in Europa darstellt, dann versagt sie gerade progressiv ansteigend. Es wurde massiv aufgerüstet und massiv Freiheits- und Verfassungsrechte ausgehöhlt/ausgesetzt und trotzdem sinkt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beängstigend. Nur Authentizität und Wahrheit bringen Vertrauen und Vertrauen braucht es für das Gefühl der Sicherheit.

Einfache Aussage: Bekämpfen wir in Syrien den IS oder die anerkannte Regierung? Ganz einfach. Wenn man Energien einsetzt um ein Regime zu beseitigen, dann werden in einer reziproken Gesetzmäßigkeit ebenso Energien freigesetzt werden, die unsere Regime (und bei uns herrscht ja formal das Volk) zu schädigen. Hält die EU wirklich an der Nationalen Koalition der Kräfte der syrischen Revolution fest? Wir könnten auch Syrien in Minimundus nachbauen und die Besucher als demokratische Koalition der Kräfte der Besucher Syriens nennen und dann in Genf eine Einheitsregierung à la Libyen beschließen. Zuerst wegbomben und dann einsetzen – Eau de Kolonie, der Duft der alten Weltherrschaften zieht durch die Brüsseler Neubauten.

DI Mathias Gruböck                                                                                         Baden, 20.12.2016
Unternehmens- und Organisationsberater


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