Motte
Allerechtevorbehalten nur weil sie durch Gebühren ein Entgelt
bekommen heißt das noch lange nicht, dass sie sinnstiftend oder gar
wertschöpfend arbeiten. Es wären also 4644 Entgeltlose mehr, dies
wird aber durch eine Versicherung und in der Folge ebenfalls durch
die Allgemeinheit durch ein arbeitsloses Entgelt (auf natürlich
niedrigerem Niveau) solidarisch abgefedert. 4644 Menschen verrichten
hier, bezahlt durch eine fixe Umlage (ähnlich einer Steuer) Arbeiten
für die Umlagezahlenden, die diese nicht bestellt haben. Kammern
entspringen dem Staatsverständnis, dass es in einer Gesellschaft
verschiedene Stände gäbe, die in sich äußerst homogen und
gegenüber den anderen Ständen klar abgegrenzt sind. Auch ist ein
flexibler Wechsel zwischen den Ständen an sich nicht vorgesehen.
Vergleichbar ist diese Gesellschaftsidee ein Stück weit mit dem
Kastensystem. Diese 4644 Menschen haben sich über Generationen einen
eigenen gesellschaftlichen Raum geschaffen, der in sich sehr
konsistent
ist und dadurch auch eine starke Struktur gegen Veränderungen
darstellt. Ein zentraler Punkt aller dieser "Vertretungsstrukuren"
der gesellschaftlichen Machtentfaltung ist, dass eine Verhandlung
über den prinzipiellen Nutzen für die zwanghaft Vertretenen durch
diese Strukturen nicht in diesen Strukturen gestellt werden kann. Ein
System würde sich nie selbst abschaffen, sondern immer neue
Rechtfertigungen für seine Existenz finden. Auch Münchhausen konnte
sich nicht selbst an den Haaren aus dem Sumpf ziehen, da er ein
geschlossenes System bildete. In der WK gibt es sicher ganz tolle und
hochbezahlte Mitarbeiter, die mit ganz viel Energie und
Ressourcenaufwand
sich selbst und die Umlagezahlenden an deren Haaren aus dem Sumpf
ziehen wollen. Als entgeltbefreite AMS-Kunden könnten der
Ressourcenaufwand
nicht mehr erfolgen und die Gewerbetreibenden müssten sich selbst an
den Haaren aus den beamteten Regulationssümpfen ziehen.
Diese
Regulationen stellen auch fast immer einen Versuch dar, gewissen
Interessengruppen einen legistisch abgesicherten Vorteil zu
verschaffen. Wirtschaftsinteressen auf überregionaler Ebene werden
viel wirksamer von Lobbys (zu Deutsch etwas uncharmanter etwa:
Einflussnehmer auf politische Vertreter bei Entscheidungsprozessen)
durchgesetzt. Ab einer gewissen finanz- und/oder wirtschaftlichen
Macht kann man sich demnach Gesetze, Regelungen und Vorschriften
(er)kaufen. New Deal könnte demnach nur bedeuten, dass die Abtausche
von Interessen neu geregelt werden sollen, wobei sich nicht
erschließt ob es sich hier um geänderte Zielrichtungen oder nur um
eine öffentlichkeitswirksamere Abhandlung der Deals handelt.
Strukturreformen heißt aber, dass man die Grundannahmen von
gesellschaftlichen, politischen oder sozialen Strukturen ändert
nicht deren Art des internen Interessenausgleiches, da die
gesellschaftlichen Räume die hier ihre Interessen ausgleichen
offenbar immer kleiner werden. Jahrzehntelange Klientellpolitik führt
demnach zur Segregation der Gesellschaft mit Gewinnern und
Verlierern. Dies führt in der Folge zwanghaft zur Entsolidarisierung
der Gruppen die sich als Verlierer dieser gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Prozesse sehen. Eine Politik der Ausgrenzung, der
medialen Stigmatisierung und der exekutiven Verfolgung dieser Gruppen
wird einen Zerfall der Gesellschaft in Lager (Land/Stadt,
Verlierer/Gewinner, Struktursuchende/Individualisten) nur
beschleunigen. Moralische Überlegenheitspropaganda von Gruppen die
sich als Gewinner selbstinszenieren wird auf zunehmend aggressiveres
Abwehrverhalten der ausgegrenzten, moralisch unterlegenen
Verlierergruppen stoßen. Dies wird vor allem an dem Widerspruch in
der Wertediskussion sehr deutlich. Eine Gesellschaft, die durch ihrer
Meinungsführer zu einer Wertegemeinschaft bestimmt wird, die diese
Meinungsführer in keiner Weise definieren können ohne mit
Freiheitsrechten in Konflikt zu treten oder gar
antiindividualistische, völkerideologische Begriffe aufzuwerten,
führen eben genau wegen des Mangels an Klarheit zu einer Stärkung
oder einem Wiederaufleben von nationalem, völkischem und
heroisierendem (inkl. der Rolle des Antihelden - Feindes)
Gedankengut. Mit der Idee des Stände- und Kammerstaates wird man
diesen gesellschaftlichen Entwicklungen wohl kaum entgegentreten
können.
DI
Mathias Gruböck Baden, 12.06.2016
Unternehmens-
und Organisationsberater
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